Verwendung des Oxford Commas
Oder warum im Englischen manchmal ein Komma vor „and“ und „or“ steht
Was ist ein „Oxford comma“?
Im Englischen kann in einer Auflistung von drei oder mehr Begriffen ein Komma vor der Konjunktion (normalerweise „and“/„or“) gesetzt werden, auf die der letzte aufgezählte Begriff folgt. Das sieht folgendermaßen aus:
- Beispiel mit Oxford Comma
We have subsidiaries in France, Russia, and China. - Beispiel ohne Oxford Comma
We have subsidiaries in France, Russia and China.
Auf deutsche Muttersprachler wirkt dieses so genannte Oxford Comma (auch „serial comma“ oder „Harvard comma“) jedoch befremdlich. Es wird fälschlicherweise meist als Fehler gedeutet, da im Deutschen an der Stelle laut Duden grundsätzlich kein Komma vor „und“/„oder“ gesetzt werden darf.
Wann sollte man das Oxford Comma im Englischen verwenden?
Ob Sie das Oxford-Komma verwenden oder nicht – beides ist im Englischen grammatikalisch korrekt und von daher bleibt die Verwendung meist Ihnen überlassen. Auf Folgendes gilt es jedoch zu achten:
Vorgaben eines Styleguides haben Vorrang
Sie schreiben für die Presse, einen Verlag oder eine Behörde?
Oder Sie verfassen eine akademische Arbeit auf Englisch, wie etwa eine Dissertation, Bachelor- oder Masterarbeit?
Dann gibt es meist Vorgaben Ihres Auftraggebers beziehungsweise Ihrer Hochschule hinsichtlich eines zu verwendenden Styleguides.
Beispielsweise sprechen sich das weitverbreitete Oxford Style Manual und das Chicago Manual of Style für den verbindlichen Gebrauch des Oxford-Kommas aus, während die Style-Handbücher von The New York Times und The Economist es ablehnen. Eine umfassende Übersicht, welche Styleguides die Verwendung empfehlen beziehungsweise welche das Serial Comma ablehnen, finden Sie hier.
Wenn Sie an keine Styleguide-Vorgabe gebunden sind, haben Sie folgende drei gute Optionen:
1) Durchgehende Verwendung
Wie so oft beim Schreiben gilt es konsistent zu sein. Deshalb sind Sie grundsätzlich auf der sicheren Seite, wenn Sie das Oxford-Komma einfach durchgehend bei jeder Aufzählung verwenden.
Wenn man sich jedoch mit diesem für deutsche Muttersprachler zugegeben gewöhnungsbedürftigen Komma nicht so recht anfreunden möchte, sollte der Umkehrschluss nicht lauten, es einfach pauschal wegzulassen! Denn es gibt tatsächlich einige Fälle, bei denen es hilft, Unklarheiten zu vermeiden. Eindeutigkeit sollte natürlich Ziel in allen Publikationen sein, aber vor allem in juristischen Dokumenten kann eine vage Formulierung gravierende Folgen haben. So musste beispielsweise eine Molkerei in den USA aufgrund eines fehlenden Oxford-Kommas in einem Gesetztestext eine Nachzahlung von fünf Millionen Dollar leisten (siehe hier).
Deswegen sollten Sie, wenn Sie das Oxford Comma nicht durchgehend verwenden möchten, stattdessen eine der folgenden Varianten wählen.
2) Verwendung zumindest immer dann, wenn es Eindeutigkeit herstellt
Hier einige Beispiele, denen ein Oxford-Komma gut tun würde:
- „After winning the Oscar, Mel Gibson thanked his parents, Mary(,) and God.“
Ohne Oxford Comma (hinter „Mary“) könnte man auch zum Schluss kommen, dass Mel Gibsons Eltern Gott und Maria seien. - Diesen Tweet hatte ein englischer Nachrichtensender im Dezember 2013 abgesetzt:
„Top stories: World leaders at Mandela tribute, Obama-Castro handshake and same-sex marriage date set.“
Mit einem Komma hinter „handshake“ hätte man zweifelsfrei klarstellen können, dass es sich um drei und nicht um zwei Topstories handelt beziehungsweise dass Obama und Castro nach ihrem Händedruck nicht auch gleich ein Datum für eine gleichgeschlechtliche Ehe festgelegt haben. - „I called my superiors, Sally and Mike.“
Wer wurde denn jetzt gerufen – sowohl die Vorgesetzten, als auch Sally und Mike?
Oder sind Sally und Mike die Vorgesetzten?
Ersteres ließe sich im Englischen durch das Setzen eines Oxford Commas vor dem „and“ eindeutig zum Ausdruck bringen.
Letzteres wäre wiederum ein Fall für folgende Option ...
3) Im Zweifel umformulieren!
Wenn einem Sätze wie die zuvor aufgeführten Beispiele unterkommen, bietet es sich an, sie einfach so umzuformulieren, dass sie auch ohne Oxford Comma unmissverständlich sind. Dies ist auch das Hauptargument der Oxford-Comma-Gegner.
Wenn Sie also grundsätzlich auf die Verwendung des Oxford Commas verzichten möchten, jedoch auf Aufzählungen in Ihren Texten stoßen, die ohne dieses Satzzeichen mehrdeutig verstanden werden könnten, dann sollten Sie auf jeden Fall eine alternative Formulierung wählen.
Das grundsätzliche Meiden des Serial Commas empfehle ich insbesondere denen, die englische Texte verfassen, die zu einem großen Teil von einem deutschen Zielpublikum gelesen werden. Zu solchen Publikationen zählen beispielsweise:
- Englische Geschäftsberichte von international tätigen deutschen Unternehmen
- Bewerbungsanschreiben oder Lebensläufe, die auf Englisch verfasst werden müssen, aber an eine Personalabteilung in Deutschland adressiert sind.
- englischsprachige Abschlussarbeiten, die an deutschen Hochschulen verfasst werden.
In solchen Texten sollte von der Verwendung des Oxford Commas abgesehen werden, da viele deutsche Leser das Komma auch in englischen Texten an der unerwarteten Stelle für einen Fehler halten werden.
Fazit
Je nach dem wen Sie hinsichtlich Verwendung des Oxford-Kommas fragen, werden Sie vehemente Pro- oder Kontra-Argumente für jede der zuvor genannten Optionen zu hören bekommen. In dem empfehlenswerten Bestseller über englische Zeichensetzung, Eats, Shoots & Leaves: The Zero Tolerance Approach to Punctuation, bringt Lynne Truss die Sache auf den Punkt:
„There are people who embrace the Oxford comma, and people who don't, and I'll just say this, never get between these people when drink has been taken.“
Als Englisch-Lektorin nehme ich in den Texten meiner Kunden schlussendlich folgende Dinge unter die Lupe:
- Gibt es eine Styleguide-Vorgabe, die es einzuhalten gilt?
- Sind die Englisch-Texte konsistent in der (Nicht-)Verwendung dieses speziellen Satzzeichens?
- Sind sämtliche betreffenden Aufzählungen unmissverständlich?
- Sind die Texte vorrangig für ein Publikum im englischsprachigen Ausland geschrieben oder richten sie sich vor allem an ein Publikum in Deutschland?
Anhand dieser Kriterien wäge ich jeweils ab, ob es besser ist, ein Oxford Komma zu setzen, es wegzulassen oder gar eine gänzlich andere, eindeutigere Formulierung zu finden.
Kommentar von Thomas |
Im Deutschen hat man das Gleiche Problem: Er verriet die Einbrecher, Karl und Paul. Eine ganz andere Bedeutung hat: Er verriet die Einbrecher, Karl, und Paul. Im Ersten Satz sind Karl und Paul Einbrecher, im Zweiten gehören Karl und Paul zur Liste der verratenen ohne zu spezifizieren ob sie auch Einbrecher sind. (Vielleicht waren diese nur Informanten.) Auch wenn der Duden sagt, dass im Deutschen vor und kein Komma gesetzt wird, wäre es hier von Bedeutung.
Kommentar von Thomas Pirro |
Leider funktioniert der Link zu "So drohte beispielsweise einer Molkerei in den USA aufgrund eines fehlenden Oxford-Kommas in einem Gesetztestext sogar eine Nachzahlung von mehreren Millionen Dollar (siehe hier)." nicht mehr.
Ist es möglich, eine neue Quelle/neuen Link einzufügen? (Reine Neugier zu diesem Fall).
Im Voraus vielen Dank!
Ps: eine ganz hervorragende und besondere Seite! Bin begeistert!
Antwort von Liz Naithani
Danke für das nette Feedback und für den Hinweis auf den nicht mehr funktionierenden Link!
Ursprünglich war dieser Artikel verlinkt (nur noch im Webarchiv verfügbar).
Meinen Text habe ich an der Stelle aber nun aktualisiert, weil es seither ein Urteil in dem Fall gab. Die Molkerei musste tatsächlich fünf Millionen Dollar nachzahlen, weil der Gesetzestext aufgrund des fehlenden Oxford Kommas zugunsten der Kläger ausgelegt wurde: edition.cnn.com/2018/02/09/us/dairy-drivers-oxford-comma-case-settlement-trnd/index.html
Kommentar von Monique |
Laut Wikipedia ist die Verwendung im britischen Englisch eher unüblich, im Amerikanischen dagegen zwingend vorgeschrieben. Das hätte auch noch erwähnt werden sollen.
Antwort von Liz Naithani
Vielen Dank, Monique, für Ihren Kommentar! Sie haben Recht, bei Wikipedia steht das so. Wikipedia geht mit der Aussage jedoch etwas zu weit. Denn im Amerikanischen ist zwar die Verwendung des „Serial Commas“ weit geläufiger als im Britischen. Und die meisten amerikanischen Style Guides empfehlen die Verwendung. Doch folgende amerikanische Publikationen (und deren Style Guides) empfehlen, das „Serial Commas“ nicht zu verwenden (außer natürlich das zusätzliche Komma ist dringend nötig, um Missverständnisse zu vermeiden):
- The Associated Press Style Guide
- The Economist Style Guide
- The Guardian Style Guide
- The New York Times Stylebook
Im US-Englischen ist die Zeichensetzung oft eine Frage des Stils oder des Geschmacks. Das „Serial Comma“ ist also in USA nicht „zwingend vorgeschrieben“, es wird jedoch häufig verwendet.
Kommentar von Karla |
Englische Geschäftsberichte von international tätigen, deutschen Unternehmen
Kommafehler. Es geht um international tätige deutsche Unternehmen, nicht um international tätige und deutsche Unternehmen.
Antwort von Liz Naithani
Kommentar von Katharina |
Danke für den aufschlussreichen Artikel, ich habe gerade meine Abschlussarbeit daraufhin von allen Oxford-Kommata befreit.
Kommentar von F. Steffenhagen |
Vielen Dank für die interessanten Ausführungen. Ich finde es sehr verständlich und werde meine Texte dahingehend gleich überprüfen und anpassen.
Kommentar von Liz |
Hallo Herr Klein, danke der Nachfrage! Der Text war bislang tatsächlich dahingehend noch etwas vage. Ich habe den Artikel deshalb nun nochmal überarbeitet und hoffe, dass anhand der neuen Beispiele deutlicher wird, zu welchem Zweck das Oxford Comma eingesetzt wird.
Kommentar von Jonas Klein |
Schön und gut. Aber zu WELCHEM ZWECK wird es denn nun eingesetzt?